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Feb 7, 2014

Militärforschung in der Friedensstadt; Forschung soll transparenter werden; Kommentar: Kein Grund zur Empörung Leserbrief


NOZ vom 4.2.2014

In der „Friedensstadt Osnabrück“ wird dieses Etikett bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten plakativ in Verbindung mit dem Westfälischen Frieden, Erich-Maria Remarque und Felix Nussbaum herausgestellt. Um so peinlicher, wenn jetzt auch gerade an den Osnabrücker Hochschulen Rüstungsforschung betrieben wird. Und es handelt sich hierbei nicht, wie uns die Vizepräsidentin der Universität Frau Kallenrode weismachen will, „... lediglich um Grundlagenforschung“ und es werde nicht an Waffen oder militärischen Systemen geforscht. Diese Äußerung ist leider nur als Verharmlosung und Vertuschung zu verstehen, wenn man einmal auf die entsprechende amerikanische Projektseite des ARL (Army Research Laboratory) geht (www.arl.army.mil/www/default.cfm?page=393; overview briefing). Die den Informationen hinterlegten Hintergrundbilder zeigen allein schon, dass es um nichts anderes als um Forschung für US-Truppen im Kampfeinsatz geht. Dieses ARL ist Auftraggeber der Forschung an der Universität Osnabrück, Bereich Kognitionswissenschaften.


Jetzt wird auch manchem verständlich, wieso es an den Hochschulen in Osnabrück so lange ein Geeiere und Hinauszögern der Diskussion über eine „Zivil-Klausel“ gegeben hat. Dies ist um so verständlicher, wenn man sich daran erinnert, dass schon in den 1980er Jahren bekannt wurde, dass damals im Fachbereich Biologie der Universität Osnabrück mit Mitteln aus NATO-Töpfen zu Schädigungen der Myelinschicht (Nervenzellen) geforscht wurde.

Von Vertretern der Friedensbewegung ist in Niedersachsen und Osnabrück schon lange befürchtet worden, dass es auch hier in nennenswertem Ausmaß Rüstungsforschung geben könnte. Es wäre ja auch recht naiv zu glauben, dass Militär und Rüstungsindustrie nicht aufmerksam die Forschungen im Bereich der Robotertechnik, der künstlichen Intelligenz und benachbarter Gebiete beobachten würden (unabhängig davon, ob sie auch direkt finanziert werden). Man braucht nicht viel Fantasie, um sich z.B. vorstellen zu können, dass Komponenten von sich selbst steuernden Robotern in einem Maisfeld auch anderweitig eingesetzt werden könnten. Verkauft wird es uns dann als unumgänglicher dual-use-Fall oder Grundlagenforschung.

Auffallend an der Antwort auf die Anfrage der Grünen an die niedersächsische Landesregierung ist, in welch riesigem Umfang Forschungsprojekte als „vertraulich“ eingestuft wurden. Fast gänzlich fehlen Forschungsprojekte, die von Firmen der Rüstungsindustrie finanziert werden. Lediglich für die TU Braunschweig sind einige aufgeführt. Es ist wohl zu vermuten, dass diese Liste nur die Spitze des Eisberges ist und dass es noch deutlich mehr, in diesem Fall „kaschierte“ Rüstungsforschung an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Niedersachsen gibt. Vermutlich ist das Interesse, genau hinzuschauen, von wem und wofür Forschungsprojekte genutzt werden auch nicht sehr ausgeprägt bzw. kaum vorhanden, geschweige denn die Bereitschaft da, offen darüber zu diskutieren. Dies wäre aber ein grundlegender Bestandteil der angemahnten „Transparenz“. Wussten die Studierenden und Doktoranden der entsprechenden Studiengänge z.B. wofür ihre Untersuchungen genutzt und wie sie finanziert wurden?

Diese Art der Forschungsfinanzierung ist das Erbe der Sparmaßnahmen in der Hochschul-Finanzierung und die Betonung der Drittmittelforschung, die letztlich nichts anderes als Auftragsforschung ist. Der Druck Drittmittel einzuwerben geht neben den Geldkürzungen einher mit der überproportionalen Bewertung dieser Finanzmittel in den unsäglichen Hochschul-Rankings. Drittmittel müssen her, egal woher und wofür – Hauptsache es bringt Reputation.

Erinnert sei auch an das Jahr 1998, 350 Jahre Westfälischer Friede. Im Nachgang hat es langwierige und letztlich erfolglose Versuche gegeben, in Osnabrück eine nennenswerte Friedens- und Konfliktforschung anzusiedeln. Herausgekommen ist leider nur der Sitze der Bundesstiftung Friedensforschung in Osnabrück. Diese ist jedoch nichts anderes als eine Stelle zur Verwaltung und Verteilung der Fördergelder. Ob und wie sich das Zentrum für Demokratie- und Friedensforschung an der Universität Osnabrück weiter entwickelt, ist noch abzuwarten. Aber für diese Bereiche der Friedens- und Konfliktforschung gibt es kaum Drittmittel. In die Militärforschung werden stattdessen Milliardenbeträge gepumpt. Mit Rüstung kann man – geschützt durch Geheimhaltung und geschmiert durch Korruption – viel Geld verdienen. Aber wer kauft schon Frieden.

Das dem Kommentator Herrn M. Clasen neben Plattitüden dann als „angemessener Beitrag zur Friedenssicherung“ mal wieder nur Kampfdrohnen, Kriegseinsätze etc. einfallen, ist leider sehr bezeichnend. Gegenüber dieser militaristischen Orientierung wünscht man sich die doch deutlich differenzierteren Kommentare von Frau F. Kückmann, die zwischenzeitlich in der NOZ zu lesen waren.

Th. Müller